Beograd- Schwarzes Meer 1998


Zähler: 53
Mittwoch, 19. August 1998
Mit der Bahn:
Abfahrt Zell am See 3.45 Uhr über Schwarzach - Villach - Jesenice (Slowenien) - Laibach - Zagreb (Kroatien) - Slavonski Brod - Vinkovci - Belgrad (18.30 Uhr)
Grenzübergänge: Eine lange Bahnfahrt, aber mit Landkarte super. Am Bahnhof hab ich mich gleich erkundigt, ob mein Fahrrad angekommen ist. Es war tatsächlich da, aber da der Zoll zum Abholen des Rades notwendig war, konnte ich es erst am nächsten Tag abholen.

Im Hotel "Bristol" (ca. 45 DM) hab ich ein fesches Zimmer gehabt. Den Abend habe ich dann mit einem Bummel durch die Innenstadt von Belgrad verbracht. Fußgängerzone mit Gauklern, Burganlage (Festung Belgerad).

Donnerstag, 20. August 1998
Um 7.30 Uhr aufgestanden. Das Frühstück war naja. Der Kaffee war ein gewässerter Kakao, aber der Kellner schaute mich nur ungläubig an.
Um 8.00 Uhr bin ich zum Bahnhof, um das Rad zu holen. Um 10.00 Uhr bin ich dann endlich weggekommen.

In Belgrad fand ich keine Wegweiser, die zu meinem geplanten Ziel (Smederevo) zeigten. Aber da ich ein untrügliches Orientierungsgefühl besitze, bin ich einfach drauf los gefahren (Natürlich - wie sich später herausstellte - in die richtige Richtung).
Lange ging es bergauf, aber dann endlich bergab. Viel angebrannten und brennenden Müll fand ich neben der Straße. Das Wetter war leicht bedeckt und warm. Trotzdem hab ich 5 Liter Wasser getrunken. Mittagessen war wie meist Weißbrot und Käse. In Semederevo an der Donau hab ich dann Pause gemacht, die mich so aufbaute, dass ich gleich weiterfuhr.
Unterwegs hab ich dann mein Mittagessen nachgeholt (Cevapcici). Der Wirt hat 13 Jahre in Wien als LKW-Fahrer gearbeitet und empfahl mir in Veliki Gradiste das Hotel "Serbsko jezero". Das liegt an einem Donauarm, der als Erholungsgebiet mit Bademöglichkeit, Promenade und Standeln mit Grillereien ausgebaut ist.
An diesem Tag hab ich viel angezündetes Unterholz mit teilweise mitverbrannten Bäumen gesehen, aber auch viele unfertige Häuser (unverputzt, ohne Fenster, Türen), schauerlicher Baustil mit Türmchen, Löwen usw.
An der Straße wird Benzin literweise in Plastikflaschen verkauft.
Tagesetappe 115 km

Freitag, 21. 8. 1998
Im Regen bin ich weggefahren. Nach einer Stunde hat es aufgehört zu regnen. Entlang der Donau auf einer Nebenstraße nach Golubac (schöne Burganlage) in den Donaudurchbruch. Wunderschön und wenig Verkehr. In Donji Milanova hab ich mich auf einer Bank an der Donau ausgeschlafen. Natürlich hab ich wieder Weißbrot und Käse gegessen, Mineralwasser sowieso literweise getrunken.

Danach wollte ich bei der nächsten Unterkunft bleiben. Aber ...
Die nächsten 45 km wartete ich auf ein Bett-Zeichen. Die Talenge war gigantisch - da fahr ich sowieso noch mal hin. Aber es war sehr einsam. Ich schätze, dass mich auf dieser Strecke 20 Autos überholten. Die Straße stieg stetig an, unbeleuchtete Tunnel und kein Zeichen von Ansiedlungen. Schön langsam wurde ich trübsinnig.
Der Hunger meldete sich, es fing an zu tröpfeln und die Straße stieg an.
Ein Hirte erhellte mein Gemüt. Auf meine Frage "Hotel?" kam die Antwort "Tekija, deset kilometr". Hurra, und dann kam auch die Sonne noch heraus, die Straße war auf der Tabula Traiana, einer Hochfläche angelangt und jetzt ging es 10 km bergab.
Zuerst wollte mir der Wirt in dem Motel Tekija kein Bett geben ("Nein"). Nach Rücksprache mit einer höhergestellten Persönlichkeit, war dann doch ein Zimmer frei ("Sedm hora weg" - um sieben Uhr raus).
Tagesetappe 130 km
 

Samstag 22. 8. 1998
Natürlich bin ich in der Früh gleich abgehauen, weil da ist es zum Fahren ja am nettesten. In Sip - beim Kraftwerk - bin ich über die Grenze nach Rumänien und wollte dort meine restlichen Dinare in Lei umtauschen. Aber kein Dinar-Umtausch ausserhalb Jugoslawiens möglich.
Das rumänische Visum kostete 61 DM. 100 DM ergaben 475.000 Lei.
Zeitumstellung +1 Stunde.
Gleich nach Drobeta Turnu Severin stieg die Straße lange leicht an. Aber dann kam eine lange, flache Abfahrt über Strehaia, Filiasi nach Craiova, mit Rückenwind - ein Traum.
In Craiova hab ich mir dann das Hotel Jiul genommen, eine Empfehlung des Reiseführers. Natürlich wurde mir ein Zwei-Bettzimmer verrechnet (mit Klimaanlage, Kabel-TV) um 750.000 Lei (ca. 160 DM). Das war mir aber egal, weil ich doch ziemlich müde war. 
Was mir an diesem Tag auffiel: es gibt eine Vielzahl von kleinsten Geschäften, die unscheinbar sind. Ich musste erst einen Blick dafür bekommen, wo ein Geschäft war. Grundsätzlich war es viel sauberer als in Jugoslawien. Traumhafte Kartoffeln, viele Tomaten und massenweise Wassermelonen - und natürlich Coca Cola. 
Ich kann viel lesen - die Sprache ist ähnlich wie italienisch.
In Craiova besuchte ich den Gottesdienst einer rumänisch-orthodoxen Kirche.
Tagesetappe 145 km
 

Sonntag, 23. 8. 1998
Früh auf, leicht bewölkt, kühl - äußerst angenehm. Auch hier ist mir wieder die Sauberkeit aufgefallen. Zigeunerinnen haben die Straße zusammengekehrt. 
Dieser Tag war der schönste auf dieser Reise. Starker Rückenwind, ebene Landschaft, links Mais, rechts Sonnenblumen, endlose Alleen, Wenig Katzen, "tausende" herrenlose Hunde (auch flache = zusammengefahrene), Eselsgespanne, Pferdegespanne.
Die Wasserversorgung in den Dörfern erfolgt durch Brunnen, in denen Kübel versenkt und mit einer Winde hervorgeholt  werden. Kinder schleppen das Wasser.
Ich bin dann bei Peretu nach Rosio de Vede auf einen österreichischen LKW ("Adventistisches Hilfswerk") bei einem rumänischen Waisenhaus gestossen. Die Kinder waren dort beim Mittagessen. In diesem Waisenhaus werden Kinder auch aus den Straßen von Bukarest versorgt. Das Heim wirkte ärmlich, aber sauber. Der LKW-Fahrer war Wiener und lieferte Hilfsgüter aus Österreich hierher.
In Buzescu gab es Häuser von seßhaften Zigeunern, die mich an "Herman Munsters"-Haus erinnerten. 
Die Stadt Alexandria war mein Tagesziel, sogar mit Bankomat. Dort erhielt ich aber  nur 50.000 Lei (ca. 11 DM).
Das Hotelzimmer musste ich mit Lei bezahlen (350.000 Lei = 73 DM).
Mir ist aufgefallen: Die Städte sind abends äußerst schlecht beleuchtet, sie wirken immer sehr duster (wie dunkle Straßenszenen in einem Krimi).
Tagesetappe 145 km

Montag, 24. 8. 1998
Um das Hotel bezahlen zu können, musste ich erst DM in Lei umwechseln. Auf der Post-Bank brauchte ich zum Wechseln den Reisepass. Der aber lag im Hotel und den erhielt ich erst nach Bezahlung des Hotels. Das Hotel konnte ich aber erst nach dem Wechseln (schimb) bezahlen. Ein Problem, das die Schalterbediensten und deren Chef 20 Minuten lang beschäftigte. Aber dann hat eine Angestellte der Post meine 300 DM (ca. 1.400.000 Lei) genommen und mit ihrem Ausweis gewechselt. Damit konnte ich alles bezahlen und abreisen.
Gegen 14.00 Uhr war ich in Bukarest (Gare de Nord). Da hab ich gleich nach einem Zimmer geschaut. Eine Frau hat mich vor einem Hotel angesprochen und eine Unterkunft um 100.000 Lei angeboten. Nach einigem Zögern folgte ich ihr in eine Nebenstraße und sie wies mir in einem Hinterhof einen besseren Verschlag (ohne Fenster und 1,50 m hoch) zu. Zum Waschen diente der Wasserhahn im betonierten Hof. Das Rad hab ich wie meist auf dieser Fahrt ins "Zimmer" mitgenommen. Es war nicht ein Traum, aber ... 
Am Bahnhof  erkundigte ich mich, wie es mit dem Zurückschicken des Fahrrades nach Zell/See wäre. Die Auskunft war günstig - kein Problem, 20 DM, aber der Zoll (Varma) sei notwendig (Werktags 8.00 - 14.00 Uhr).
Dann hab ich einen Gewaltsmarsch durch Bukarest gemacht. Hauptstraßen, Nebenstraßen, Kirchen, Geschäfte - und dann bin auch auch zum Parlamentul Romaniei - dem Wahnsinnsgebäude von Ceauscescu. Führungen sind möglich. Bin erst um 23.00 Uhr zum "Zimmer" zurückgekommen.
Tagesetappe 96 km

Dienstag, 25. 8. 1998
Laut Karte war an diesem Tag eine lange gerade, öde Strecke dran - immer nach Osten. Aber der Rückenwind half, wunderschöne Landschaft - Mais, Sonnenblumen. Ich habe fast keinen Weizen gesehen. 
Irgendwo hab ich mich dann in den Schatten gesetzt und geschlafen. Da ist ein Streckengeher der Rumänischen Bahn aufgetaucht. Wir haben uns über eine Stunde  bestens unterhalten. Mit Zeichnungen, Händen und Füssen und verschiedenster internationaler Wortbrocken (Chef, gut, super,...) ging es sehr gut. Er verdient 700.00 Lei (ca. 140 DM) pro Monat. Bei jedem Zug ist er aufgestanden und hat einen prüfenden  Blick auf die Waggons geworfen.
Teilweise war es sehr heiß, meist aber angenehm warm. Bei einem Brunnen hab ich mir zwei Kübel kaltes Wasser über den Kopf gelehrt - ein Traum.
In Fetesti hab ich im Hotel Mioritija (150.000 Lei) geschlafen. Das Zimmer bestand aus drei Zimmern mit kaputtem Fernseher und vielen Mücken (die letzte musste um 2.00 nachts dranglauben).
Tagesetappe 155 km
 

Mittwoch, 26. 8. 1998
Kalt war es beim Wegfahren. Über den Donauarm ist der Verkehr gebündelt. Die Bundesstraße hörte auf, nur Eisenbahn und Autobahn führte über die 20 km mautpflichtige lange Strecke. Meine Bedenken, mit dem Fahrrad auf der Autobahn zu fahren, wurden vom Mautpersonal zerstreut, die mich einfach vorbeiwinkten. Etwas mulmig war mir schon zumute, aber der Pannenstreifen war breit genug.
Die Brücken über die Donauarme waren an den Brückenköpfen von jeweils 2 Soldaten bewacht.
In der Dobrudscha zwischen Cernavoda und Constanta läuft der Donau-Schwarzmeerkanal. Die Straße steigt und sinkt mit den Dünen. Aber irgendwann ist Ende und ich bin am Ziel am Schwarzen Meer.


Das Rad stellte ich am Bahnhof unter und ich bin dann stundenlang durch die Straßen von Konstanta marschiert.
Ovid - der römische Dichter verbrachte hier seinen Lebensabend. Es gibt römische Ausgrabungen, aber auch moderne zerfallene Häuser. Am Strand hab ich dann Fisch gegessen und bin ins Meer gegangen.
Gegen 18.00 Uhr fuhr ich dann mit dem Zug zurück nach Bukarest. Auf dieser Rückfahrt hab ich ein deutsches Pärchen aus Schwaben getroffen, die per Mountainbike mit Zug und Rad unterwegs waren. Wir tauschten während der 3-stündigen Fahrt unsere Raderfahrungen aus.

Um 21.00 Uhr hab ich mich in Bukarest gleich ins Hotel Astoria (430.000 Lei) begeben und bin bestens eingeschlafen.
Tagesetappe 85 km

Donnerstag, 27. 8. 1998
Um 9.00 Uhr hab ich begonnen, das Fahrrad aufzugeben. Zuerst bei der Gepäcksannahme. Aber dort werden Fahrräder nur genommen, wenn ich eine Fahrkarte habe. Daher zum internationalen Schalter. Dort bekommt man die Fahrkarte aber erst 2 Stunden vor der Abfahrt des Zuges (um 16.10 Uhr). Aber der Zoll, der beim Versenden des Fahrrades notwendig ist, ist nur bis 14.00 Uhr offen. Nach 2 Stunden Erklärungen, Beschäftigung von 4 Personen, Erstellen eines rumänschen Schriftstückes für den Grenzübertritt ("Das Fahrrad gehört mir und ist aus Österreich") durch einen Zollbeamten, dem persönlichen Einsatz der Chefin der Zollabteilung beim vorzeitigen Kauf der Fahrkarte nach Zell/See bei der grantig reagierenden Fahrkartenverkäuferin ist das Fahrrad übernommen worden. Ein letzter wehmütiger Blick auf mein Fahrrad (ich mag es) und ich war frei zur Besichtigung von Bukarest.
Der Platz der Republik wurde unter Ceauscescu angelegt, indem ein Stadtteil einfach niedergerissen wurde. Ich bin zum Parlamentul Romaniei: 1980 entschied Ceauscescu sich zum Bau des Palastes, um der Welt zu zeigen, wie reich Rumänien sei. Sämtliche Baumaterialien (ausser Mahagoni im Boden) kommt aus Rumänien. 1984 wurde mit dem Bau begonnen, 1989 beim Sturz von Ceauscescu war der Palast zu 80% fertig und verlotterte. In den letzten Jahren hat man den Palast reaktiviert und das Paralmentsgebäude daraus gemacht.
Der Palast beinhaltet 1000 Räume, 4 Restaurants, 30 Konferenzräume, 11 Stockwerke. 440 Räume werden gebraucht. 2100 Kristall-Luster. 1 Million Kubikmeter Marmor wurde für die Innenverkleridung verwendet. Das ganze Gebäude muss immer auf mindestens 17°C geheizt werden, damit die Materialien nicht leiden. Ein Vorhang 20 m hoch, 2 Bahnen zu je 1000 kg. Ein Saal 19 m hoch, 2800 Quadratmeter. Aussenmaße: 470x420 m. Teppiche bis zu 40 m lang mit 4 t Gewicht.

Um 16.10 Uhr ist der Zug abgefahren. Im Schlafwagen sind wir durch Transylvanien - Ungarn nach Wien gefahren. Nach Transylvanien muss ich auch einmal.

Was mir insgesamt auffiel: 
- freundliche Menschen
- nur 1 sportlicher Radfahrer
- wenig Katzen
- tausende Hunde
- weinende Bettlerinnen
- bettelnde Kinder
- sniffender 10-jähriger Bub in der U-Bahn
- hungrige Kinder (die sich über Tomaten, Brot und Äpfel gefreut haben)
- im Speisewagen geht ein verkrüppelter Bettler auf Knien durch
- in der U-Bahn hält ein Mann einen kurzen Vortrag und geht dann humpelnd und bettelnd durch den Wagon
- Käse fand ich sehr selten
- an den Bahnhöfen Wasserstellen, bei jedem Aufenthalt sidn die leute aus dem Zug und haben Wasser geholt
- Sonnenblumenkerne werden überall geknabbert
- DACIA ist das Volksauto. Alle 5 km steht einer am Straßenrand und darunter liegt der Fahrer zum Reparieren
- Vulkanizer gab es in jedem Dorf mehrere
- Viele private Wachdienste (in Banken, am Bahnhof, in Geschäften, ...)
- kleine Geschäfte nennen sich auch "Magazin Universal", "Magazin Mixt")

Fazit: Rumänien ist ein wunderschönes, aber armes Land.