Durch das Baltikum nach St. Petersburg 2000


Zähler: 63
Dienstag, 15. August 2000  Salzburg - Vilnius
Ilse bringt Georg und mich nach Salzburg zum Flughafen. Um 11:45 Uhr startet das Flugzeug. Bis dahin ist noch einzuchecken. Ein Problem machen die Fahrräder. Erst nach Rückruf werden die Räder kostenlos mitgenommen. Dazu müssen die Pedale abgeschraubt und der Lenker gerade gerichtet werden.
Der Flug mit der AUA wird von der Tyrolean Airways durchgeführt. (Gibt es im Flugzeug eigentlich immer Hendl?) In Wien wechseln wir das Gate und schon sind wir im AUA-Flug nach Vilnius - diesmal mit der Lauda Air. [Beim Essen haben gibt es die Wahl zwischen Hendl (!) und Pfeffersteak(chen).]
Um 15:30 Uhr landen wir in Vilnius. Der Flughafen schaut aus wie ein kleiner Bahnhof. Zuerst wird Geld gewechselt (Währung Litas / Cents - 1 Litas = 4 ATS). 
Die Räder werden wieder zusammengebaut und dann rollen wir leicht bergab in die Stadt (7 km). Eine angenehme Brise beschleunigt unser Tempo.
Das vorbestellte Hotel ist bald gefunden - es hat dieselbe Hausnummer wie die nebenliegende Bank.
Nach dem Duschen steht ein Rundgang durch die Stadt auf dem Programm: Zur Kathedrale St. Stanislaus, mehrere Bettler erflehen Almosen. Davor steht das Denkmal des Gediminas, eines litauischen Nationalhelden. Auf dem Burghügel steht der Gediminas-Turm, von dem man einen schönen Ausblick mit erfrischendem Wind zum gotischen Ensemble und die Altstadt hat.
Bei einer Bäckerei genießen wir guten Kaffee und Süßgebäck (Zimtschnecken). Nach 3 1/2 Stunden Besichtigung kehren wir ins Hotel zurück.
Hotel Zaliasis Tiltas, Gedimino pr. 12, reservation@zaliasistiltas.lt
Gefahrene Kilometer: 7
Mittwoch, 16. August 2000 Vilnius - Kaunas
Endlich geht es los. Bereits um 6:15 Uhr fahren wir Richtung Südwesten bis nach Trakai. Dort steht die Besichtigung der Burg mit dem Palast, die beide malerisch auf einer Insel im Seengebiet liegen, auf dem Programm. Das muss man sich anschauen. Von der Burg aus kann man den Ausblick auf die Seen genießen. Eine Frau singt zur Ziehharmonika Volkslieder.
Vor der Weiterfahrt beginnt es zu regnen - unterstehen bei einer Imbissstube ist natürlich nicht unangenehm.
Nach 20 Minuten ist der Regen vorbei und weiter geht die Fahrt über Semeliskes (Pause mit Brot, Käse und Mineralwasser) auf Nebenstraßen Richtung Siauliai (gesprochen: Schauli). Aber sehr schnell wird wieder der Kontakt mit der Hauptstraße gesucht, denn die Nebenstraße stellt sich als harte Schotter-Waschbrettstraße heraus. 8 lange Kilometer quälen wir uns ab - dann erreichen wir bei Elektrenai (besteht nur aus einem großen Kraftwerk) die Hauptstraße.
Rinder, Pferde und Ziegen grasen einzeln angebunden. Störche gibt es sehr viele.
Jetzt kommt er, der Regen und auf dieser Fast-Autobahn gibt es fast nichts, wo man sich unterstellen kann. Bis Kaunas wird jede Brücken und Bushaltestelle als Schutz vor den plötzlichen Regengüssen genutzt.
Aber wie das halt so ist - vor Kaunas kommt die Sonne wieder heraus und trocknet uns auf. Vor lauter Hunger kaufen wir uns bei der Einfahrt nach Kaunas Kekse (Georg solche, wie sie die Oma macht - Streifenkeks, die auch wie Omas Kekse schmecken.)
Donnerstag, 17. August 2000 Kaunas - Siauliai
Um 6:30 Uhr erscheinen wir beim Frühstücksbuffet. Zuerst radeln auf der Autobahn (!) [ist erlaubt]- am Pannenstreifen - mit wenig Verkehr nach Norden. Der Asphalt wechselt in seiner Qualität - von total eben bis sehr grob erleben wir alles. Ab Paneveziukas benutzen wir wieder die Via Baltica. In Kedainiai ergibt sich die Vormittagsjause (Wurst, Käse, schwarzes Schwarzbrot und Mineralwasser). Weiter geht es auf schmaler Straße (Asphalt in der Mitte - links und rechts ein breiter Schotterstreifen, auf den bei Gegenverkehr mit einer Spur gewechselt wird). 
In Baisogala machen wir Mittag. In einem unscheinbaren Kaffee gibt es köstliche Zimtschnecken. Zwei etwas Angeheiterte raufen vor dem Laden, einer trollt sich dann davon, der andere kommt zu uns an den Tisch, was uns zum vorzeitigen Aufbruch bewegt.
Auf dem kleinen Markt erleben wir den Verkauf von Hühnern. Diese sind in einen Kleintransporter gepfercht und werden um 10 Litas (ca. 40 ATS) pro Stück lebendig gekauft. Der Transport durch den Käufer erfolgt in Säcken. Die Hühner sträuben sich gewaltig, bleiben dann aber ganz ruhig im Sack drinnen (jeweils zu zweit). Küken werden in Einkaufskörben transportiert. Der Verkäufer spricht uns an, er hat in Deutschland gearbeitet.
Bei Seduva kommen wir wieder auf die Hauptstraße mit starkem Gegenwind. Die Kilometer auf der breiten Straße ziehen sich. Aber um 16:45 Uhr sind wir in Siauliai im Hotel Turné gelandet.
Die Fußgängerzone in Siauliai ist eher öd. Im Krieg wurden 80% der Häuser zerstört. Wie immer gehört ein angenehmes Abendessen zur Belohnung des Tages.
Gefahrene Kilometer 156
Freitag, 18. August 2000 Siauliai - Riga
Frühstück und weg um 7:20 Uhr. Nach 15 km kommen wir zum Berg der Kreuze. Dieser Hügel mit Tausenden von Kreuzen jeder Größe ist ein litauischer Wallfahrtsort. Immer wieder haben russische Panzer die Kreuze niedergewalzt und nach kurzer Zeit "wuchsen" diese wieder neu. Natürlich werden Kreuze an den anliegenden Standeln verkauft.
Dann geht es gerade nach Norden - die Qualität der Straße wechselt, der Verkehr ist schwach. In Joniskis machen wir kurze Pause und fahren dann endlos gerade auf die Grenze Litauen / Lettland zu. Dort geht es flott mit der 4-fach-Kontrolle. Endlich bei der letzten Kontrolle gibt es den Stempel im Reisepass.

Danach wieder endlos gerade bei wenig Verkehr. Erst ab Jelgava fahren wieder mehr Autos. Dort machen wir im Park eine längere Pause mit Schlaf und Lesen.
Dann geht es auf Riga zu - die Geraden dehnen sich. In der Stadteinfahrt von Riga wird der Straßenbelag katastrophal. Wir werden durchgerüttelt und wechseln daher auf den Gehsteig. Nach 3 km kommen wir wieder auf eine ordentliche Straße. 
Riga öffnet sich nach der Überquerung der Düna. Unterkunft finden wir im Hotel Valdemar im Zentrum (mit Internet-Room). Riga stellt sich als Jugendstilstadt dar, die einen großstädtischen Eindruck macht. Riga ist es wert, dass man extra dorthin fährt.
Bernstein wird kiloweise in allen Formen verkauft.
Natürlich beenden wir wieder den Tag in einem guten Restaurant.
Gefahrene Kilometer: 140
Samstag, 19. August 2000 Riga - Ainazi
Nach einem Frühstück in einer Bar fahren wir immer geradeaus bei sehr frischer Temperatur vorbei an Seen nach Norden. Sehr viel Wald begleitet uns. An der Straße stehen Autos, deren Besitzer im Wald Pilze suchen. Kübelweise werden diese gesammelt. Von der Küste sehen wir nichts.
In Saulkrasti (nicht immer ist das Ortszentrum eindeutig feststellbar) setzen wir uns mit Wurst, Brot und Käse an den Strand. Grober Sand mit verstreuten großen Steinen bietet ein menschenleeres Küstenerlebnis. 
Der Wald wird lichter und bietet immer wieder Ausblicke auf das Meer, und das alles 100 km geradeaus.
In Dunte lädt das Münchhausen-Museum zum Verweilen ein. Hier soll er sich selbst am Zopf aus dem Sumpf gezogen haben, hier hat er am 2. Februar 1744 geheiratet.
In Salacgriva finden wir eine Touristeninformation für Nordlettland. Die Dame verweist uns auf ein Zimmer in einem Motel in Ainazi an der Grenze zu Estland. Dort an der Tankstelle mit Motel bleiben wir über Nacht. 
Wir radeln am späten Nachmittag in den Ort hinein und schauen uns Meer, Küste und die Grenze an - ein kleiner Graben und an der Ortsstraße ein lokaler Grenzübergang. Am Ufer ist eine Grenze nicht erkenntlich. Jugendliche baden bei frischer Temperatur.
An diesem Strand mit seinen großen Findlingen ruhen wir uns aus.
Gefahrene Kilometer: 116
Sonntag, 20. August 2000 Ainazi - Pärnu
Ein ruhiger Sonntag kündigt sich an. Gleich nach der Grenze (Geldwechsel 1 Kroon ~ 1 ATS) biegen wir an die Küstenstraße nach Ikla ab. Diese Nebenstraße fahren wir bis Häädermeeste. Links und rechts sind etwas versteckt die Wohnhäuser. Auch Campingplätze gibt es auf der Meerseite. Sie bieten die Möglichkeit, offenes Feuer zu machen. Wer Ruhe sucht, soll diese Küste als Ziel wählen.
Bei Kabli frühstücken wir im Motel - Buffet um 30 Krooni. Dann geht es weiter auf der Hauptstraße mit wenig Verkehr bis nach Pärnu. Dort machen wir bereits zu Mittag geplanten Schluss.
Im Hotel Emmi (neu gebaut im Wohngebiet, wirkt etwas kahl) finden wir Unterkunft. Dann geht's ab in die Stadt. Am breiten Sandstrand dieses Kur- und Badeortes ruhen wir uns aus, lesen, spielen eine Runde Minigolf und suchen das dortige Internetcafe. In einem Zelt am Strand finden wir drei Computer mit einer schnellen Verbindung. Von dort aus werden die e-mails beantwortet und Teilberichte versendet.
Früh gehen wir ins Bett.
Montag, 21. August 2000 Pärnu - Tallinn

Nach dem Frühstück geht es wieder Richtung Norden. Wir machen nach jeweils 20 km eine kurze Pause. Links und rechts sind Wälder und Wiesen, Wälder und Wiesen, kaum Siedlungen.

Um 14:30 Uhr erreichen wir die Stadtgrenze von Tallinn. Die typischen  Holzhäuser bis zu 2 Stockwerken begleiten uns bis ins Zentrum. Erst dort bekommt Tallinn ein großstädtisches Flair.

Die Unterkunft finden wir in dem teuersten Hotel unserer Fahrt - im "Reval - Hotel Cetral" um 1300 Krooni. Auch den dort vorhandenen Internet-Room nutzen wir.
Im Hotel erkundige ich mich bei der Travel Agency wegen der Rückfahrmöglichkeit St. Petersburg - Tallinn. Die wissen aber nicht, ob eine Fähre von St. Petersburg nach Tallinn geht. Die Zugauskunft ergibt auch nur, was ich schon weiß: 4 Züge gehen von Narva nach Tallinn. Von St. Petersburg nach Tallinn geht nur 1 (ab St. Petersburg 23:35 Uhr). Ob der aber auch Fahrräder mitnehmen kann, ist fraglich, denn internationale Züge haben kein Gepäckabteil. So bleibt nur ein lokaler Zug von Narva nach Tallinn (ab 17:08 an 21:40 Uhr). Ganz zufrieden bin ich mit dieser Auskunft nicht, denn es bedeutet, dass wir den Weg St. Petersburg - Narva (bzw. Iwangorod) zurückfahren müssen.
Der Rundgang durch die Stadt zeigte eine nette Altstadt, die es wert ist, länger besucht zu werden, wozu wir bei der Rückfahrt Gelegenheit haben.
Gefahrene Kilometer: 136
Dienstag, 22. August 2000 Tallinn - Rakvere
Nach einem guten Frühstücksbuffet radeln wir nach Osten. Beim Verlassen von Tallinn finden wir das "Hotel Susi" und nehmen uns vor, bei der Rückfahrt, bei "Susi" abzusteigen. Autobahnähnliche Straße (vierspurig mit grünem Mittelstreifen) - geradeaus - keine Orte - immer eintönig.
Tankstellen bieten für den Radfahrer die Möglichkeit, sich mit Getränken und Süßigkeiten zu versorgen. Die Varianten der Tankstellen reichen dabei von Tankstelle mit Shop (wie bei uns verbreitet) über Mini-Tankstelle mit Mini-Container bis zur Nur-Tankstelle mit einer Zapfsäule. Die Mini-Container bilden auch in den Ortschaften interessante Einkaufs"läden". Man sieht das Angebot an den Wänden (hinter Glas) und drinnen sitzt eine Person, von dem man nur durch eine kleine Luke die Hände sieht. Wenn das Gitter vor dieser Luke offen ist, dann kann man hineinreden und hoffen, dass irgendeiner da ist, der das hört. Eigentlich sind es kleine Gefängniszellen - oder das Glück, ein eigenes Geschäft zu besitzen.
Da es so gut geht, überlegen wir, ob wir nicht weiter als nach Rakvere fahren, aber ... Kurz vor Rakvere erreicht uns Gegenwind, damit hat sich das Thema "Weiterfahren" erledigt.
In Rakvere steigen wir im Hotel Wesenbergh ab. Wir finden das schönste und geräumigste Zimmer unserer Fahrt. 
Ein Rundgang mit Besuch der Ruine der Ordensburg in Rakvere schließt den Tag ab.
Ich warte noch am Bahnhof auf den um 19:08 Uhr aus Narva kommenden Zug - er verspätet sich um 40 Minuten, aber er kommt - ein Lichtblick für die Rückfahrt.
Gefahrene Kilometer 102
Mittwoch, 23. August 2000 Rakvere - Narva
Auch heute geht es geradeaus nach Osten. Bei Aseri bietet sich ein schöner Blick über den Finnische Meerbusen. Auf dem Aussichtspunkt steht auch ein Bus aus Pinneberg (Schleswig-Holstein), der eine Reisegruppe nach St. Petersburg bringt. Gleich erkundigen sich einige Reisegäste über unser woher, wohin. Es tut uns gut, bewundert zu werden, denn irgendwie ist das ja schon ein Wahnsinn, was wir da machen. Wir könnten ja auch an einem See liegen und faulenzen. Aber nein!! Da tut dann ein interessiertes Nachfragen der Seele gut.
Ab Kohtla-Järve (Ölschieferabbau) kommt der Regen wieder. Unterstehen und Fahren im Regen machen den letzten Teil des Tages mühsam.
In Narva suchen wir das im Baedeker angeführte Hotel Vanalinna, das den Titel "Hotel" aus der Hausfront und dem Hotelprospekt entfernt hat. Naja. Aber wir haben vom Hotelzimmer aus einen Blick auf die Grenzbrücke nach Russland.
Im Regen marschieren wir in Narva umher, erkundigen uns in der Touristeninformation über die Rückfahrmöglichkeiten von St. Petersburg nach Narva bzw. Iwangorod. Aber die wussten auch nur den Zug um 23:35 ab St. Petersburg nach Tallinn.
Abendessen gibt diesmal (in Ermangelung einer Alternative) bei McDonald. Georg haut sich gleich 3 Cheeseburger hinein.
Während der Nacht regnet es immer wieder.
Gefahrene Kilometer: 133
Donnerstag, 24. August 2000 Narva - St. Petersburg
Bei leichtem Regen stehen wir früh auf (4.00 Uhr) und lassen die Grenze schnell hinter uns - kein Aufenthalt, keine Schwierigkeiten an der Grenze - wir haben ja unsere Visas. Geldwechsel an der Grenze (1 Rubel = ca. 60 Groschen - 9 Pfennig). An der Grenze überspringen wir 2 Stunden (Moskauer Zeit). Über Kingisepp und vielen kleinen Orten fahren wir leicht hügelig auf guter Straße Richtung St. Petersburg (das in Russland St. Peterburg - ohne s - heißt). 
Immer wieder unterbricht Regen unsere Fahrt. Ich merke, dass einige Speichen meines Hinterrades sehr locker sind. Das Rad verzieht sich zu einem Achter, der schließlich streift. Das bedeutet, Pause machen und Speichen anziehen - natürlich hab ich gerade hier keinen Speichenschlüssel mit, aber die Kombizange. Ich bekomme den Achter recht gut heraus und weiter geht's. Nach 30 km merk ich wieder einen "Achter" - Pause, Kombizange - weiter. Zum Schluss ist mir schon bange, ob ich überhaupt nach Petersburg komme. Dazu immer wieder Regen. Aber gegen 15:00 Uhr ist die Stadtgrenze erreicht - ein Foto mit 2 stolzen Radfahrern.
Von da an sind es aber doch noch 30 km bei dichtem LKW, Bus und PKW-Verkehr, der noch durch Straßenbahnen und O-Busse verstärkt wird. Dazu kommen eine Menge von Schlaglöchern, Asphaltwellen, Straßenbahnschienen, die scharfkantig bis zu 20 cm über bzw. auch unter dem Asphaltniveau sind. Alle diesen Straßenschäden kann man nicht ausweichen, dazu die weichen Radspeichen - es ist nicht unbedingt ein Genuss.
Geschafft - mit dem Rad auf einem der schönsten Plätze der Erde! W i r  s i n d   h i e r!
Unser Hotel "St. Petersburg" haben wir gleich gefunden. Ein wunderschöner Blick über die Newa wird vom Zimmer aus geboten.
Bevor wir uns auf die Schönheiten der Stadt stürzen, muss ich das Problem der Rückfahrt nach Tallinn (350 km in 2 Tagen) lösen. Im Hotel gibt es eine Travel-Agency von Intourist. Dort erkundige ich mich wegen der Rückfahrt mit einer auf meiner Straßenkarte eingezeichneten Fähre nach Tallinn. "Fähre gibt es keine - weder nach Helsinki, noch nach Tallinn". Die von der Intourist-Dame angebotene Möglichkeit des Busfahrens nehme ich nicht ernst, denn ein Bus kann die Räder sicher nicht mitnehmen. Die Bahnverbindung nach Tallinn besteht durch den einen Zug um 23.30 Uhr - ein reiner Schlafwagen. Meine Sorge um die Räder klärt sie so: "Nehmen Sie ein 1. Klasse Abteil für 2 Personen, da können Sie Räder reintun, so viel sie wollen. Kosten 1200 Rubel pro Person" Mit Freuden nehmen wir diese Möglichkeit zu Kenntnis. Am nächsten Tag wollte sie das gleich klären. Meine Bedenken wegen der späten Abfahrt des Zuges und des damit ablaufenden Visums an der Grenze (der Zug fährt ca. 3 Stunden bis zur Grenze) klärt sie so: "Das ärgste, was Ihnen dabei passieren kann ist - Strafe zu zahlen". Bei meinen Vorbereitungen habe ich aber irgendwo von einem Fall gelesen, dass man auch zurück nach Petersburg geschickt werden kann, weil dort bei der Botschaft eine Verlängerung des Visums erreicht werden kann. Dabei erhält man ein Visum nur mit vorhergehender Hotelbuchung usw. Für mich ist das ein Teufelskreis, denn am Montag, 28. 8. 2000 geht von Tallinn der Flug weg ...
Zugleich buchen wir bei der Dame eine Stadtrundfahrt am folgenden Tag.
Ein kleiner Rundgang macht uns mit den Sehenswürdigkeiten Petersburg bekannt - und dann gehen wir sowieso gleich wieder ins Bett. Leider erweist sich unser straßenseitiges Zimmer als sehr laut und heiß.
Gefahrene Kilometer: 160
Freitag, 25. August 2000 St. Petersburg
Nach einem ausgiebigen Frühstück erkundige ich mich bei der Intourist-Dame nach dem Zug. Leider ist da nur mehr 1 Platz frei - also wieder nichts. Das bedeutet für uns Bus, Taxi, Radrückfahrt.
Um 11.00 Uhr kommt unser Stadt-Führer Konstantin. Mit einem Privat-PKW und einem deutsch-sprechenden Führer Konstantin sind wir die nächsten 3 Stunden unterwegs. Unser größtes Problem muss durch Konstantin geregelt werden. Daher drängen wir während der sehr interessanten Führung zum Petersburger Busbahnhof. Dieses heruntergekommene Gebäude hätten wir ohne Konstantin nie gefunden, denn auch wenn wir die Adresse gewusst hätten, hineingeschaut in dieses Haus hätten wir sicher nicht.
Aber drinnen war so richtige Bahnhofstimmung. Konstantin verhandelte mit der Chefin des Bahnhofes und schrieb ihr unsere Daten auf für den Bus nach Iwangorod, den Grenzort an der russisch/estnischen Grenze. Wir sollen am nächsten Tag um 7:00 Uhr (= 5:00 Uhr MEZ) am Bahnhof sein. Ob die Räder mitkönnen, sei Sache des Fahrers - wenn viele Fahrgäste da sind, dann geht es nicht - Fahrtkosten 160 km bis an die Grenze 40 Rubel (ca. 24 ATS).
Etwas beruhigt genießen wir den Rest dieser ausführlichen und gut erklärten Führung.
Nachmittags gönnen wir uns noch eine Schiffrundfahrt durch die Kanäle - hören uns die russischen Erklärungen interessiert an und schlafen dabei aber die meiste Zeit.
Die Petersburger Webcam verlockt uns, den Lieben zu Hause einen optischen Gruß aus St. Petersburg zu senden. Wir stehen ca. 20 Minuten an der Stelle.
Ein pensionierter Universitätsprofessor spricht uns auf Deutsch an. Er fragt, woher, wohin. Er erzählt von seiner Familie. Die Tochter ist in Vilnius und er hat sehr wenig Kontakt mit ihr - sie kann nur unter erschwerten Bedingungen einreisen. Er war in Elektronik-Forschung  tätig und hatte mit frühen Computergenerationen (Kathodenröhren) zu tun. Das Internet können sich die meisten wegen der Telefonkosten nicht leisten. Seine Pension beträgt 600 Rubel (ca. 360 ATS bzw. 50 DM). Davon gehen 200 Rubel für die Wohnung auf. Er wohnt in einer Wohnung mit 2 anderen Familien zusammen. Küchen- und Badbenutzung gemeinsam.
Auch unser Stadtführer Konstantin spricht von vielen Familien, die mit ihren Kindern in 1 bis 2 Zimmern einer Wohnung leben, die mit 3 bis 4 anderen Familien geteilt werden muss.
Früh gehen wir wieder ins Bett, denn am nächsten Tag heißt es wieder um 4:00 Uhr (6:00 Uhr Petersburger Zeit) aufstehen.
Gefahrene Kilometer: 0 (na und?!)
Samstag, 26. August 2000 St. Petersburg - ??? (doch Tallinn)
Rechtzeitig sind wir auf und radeln über frischgewaschene Straßen vorbei an einem Unfall mit 4 PKW zum Busbahnhof. Ich gehe gleich hin zur Chefin, die erkennt mich wieder, nimmt mich bei der Hand und geht zu einem der Schalter, bei dem schon Schlangen warten. Sie drängt sich vor, wird vom ersten in der Reihe angesprochen, wischt dessen Protest mit einer Handbewegung weg und fordert von mir Geld für die Fahrkarte. Ich öffne meine Geldtasche und hol mal 100 Rubel heraus. Die nimmt sie und besorgt für uns die Fahrkarte. Dann nimmt sie uns mit zum Bus, dessen Fahrer noch nicht da ist, aber da sein sollte. Sie sucht ihn 20 Minuten im ganzen Gebäude, verhandelt mit ihm und leider ... Er lehnt ab...
Naja, das wär's gewesen. Aber da denkt die Chefin wieder nach und sagt "Narva". Das ist der Grenzort auf der estnischen Seite. 3 Stunde später gibt es einen Bus, der direkt über die Grenze fährt. Der müsste eigentlich ... Sie nimmt meine Fahrkarte (die nach Iwangorod), will noch Geld von mir, geht zum Schalter und gibt die Fahrkarte zurück - eine Diskussion zwischen ihr und der Schalterdame endet damit, dass die Chefin mit den Fahrkarten nach Narva zurückkommt - diesmal 70 Rubel (ca. 42 ATS).
Der Bus steht schon da, nur der Fahrer ist noch unterwegs. Sie deutet und redet und erklärt mir damit, dass dieser Bus nach Narva fahre, aber auch hier der Busfahrer über Rad oder nicht Rad entscheide. Nach zwei Stunden Warten kommt der Fahrer nach Narva, ich spreche ihn sofort an (er spricht englisch "a little") - es kommt wieder auf die Fahrgästezahl an. Das bedeutet weiteres Bangen. 10 Minuten vor der Abfahrt entscheidet der Fahrer - es geht. Die Räder werden in den Kofferraum gelegt und wir steigen in den Bus ein - Georgs Bemerkung: "Wie schön ist doch Estland!!"
Und dann fahren wir wirklich Richtung Grenze - 3 Stunden.
Die Grenze nehmen wir mit Freuden - Frage des Grenzers "Why did you go to Russia?" Antwort:" Tourist!". Im Security-Check-Monitor ist das Werkzeug für das Fahrrad auf Interesse des Zöllners gestoßen. Die Packtasche wird geöffnet - auf der einen Seite Schmutzwäsche und auf der anderen Seite noch etwas saubere Wäsche. Das war's!
Dann endet unsere Ausreise in Narva um 13:00 Uhr. Wie schön Narva ist, ist uns bei der Herfahrt gar nicht aufgefallen.
Und das Beste ist, dass eine Stunde nach Ankunft in Narva ein Expressbus nach Tallinn fährt, der auch unsere Räder mitnimmt. Weiter 4 Stunden, diesmal 60 Krooni, ca. 60 ATS und wir sind in Tallinn.
Ein Hotel wird für zwei Nächte gesucht und im "Olümpia"zentrum Tallinn gefunden. Wir haben jetzt fast zwei Tage Zeit, uns zu erholen, und das tun wir auch. Schlafen, schlafen, schlafen ...
Sonntag, 27. August 2000 Tallinn
Wir schlafen lange. Eine Stadtwanderung zum Hafen bringt uns die große weite Welt näher. Im Hafen gehen die Fähren ab nach Helsinki (5 Stunden) und Stockholm (viele Stunden). Leider keine Fähre nach St. Petersburg. Wir lesen, ich den Baedeker-Reiseführer, Georg englische Literatur. Faulenzen, nichts tun!! Stadtrundgang.
Montag, 28. August 2000 Tallinn - Salzburg - Bruck
Wir besuchen nochmal die Innenstadt, dann machen wir uns fertig zum Flughafen. Ein moderner Airport erwartet uns. Die Fahrräder werden wieder nur nach Rückruf und Abwiegen angenommen. Aber dann geht es ruck - zuck. 
Rein in die Lauda Air (mit Menüwahl), raus aus der Lauda. Während des Umsteigens in Wien, versuchen wir 400 estnische Krooni umzuwechseln - diese werden aber von keiner Bank angenommen.
Dann rein in die Tyrolean Air und raus aus der Tyrolian Air - Salzburg hat uns wieder.
Das war's.

Was ich mir gemerkt habe:
- Überall waren viele Straßenfegerinnen und Feger sehr früh schon unterwegs - Sauberkeit war ihr Ziel!
- Englisch hilft, Deutsch weniger
- In größeren Städten gibt es überall Internetcafés bzw. in den Hotels Internet-Rooms
- Die baltischen Staaten sind wirtschaftlich arm, aber auf gutem Wege, den Anschluss an das westliche Europa zu finden
- Etwas nördlich von Vilnius ist der geographische Mittelpunkt Europas

Gesamtkilometer: 1200